100. Wiederkehr des Waffenstillstands 1918-2018
100 französische und deutsche Chorsänger vereinigt
Unter diesem Motto stand ein Konzert, das die Zehlendorfer Pauluskantorei zusammen mit dem Ensemble Vocal d’Aquitaine am 6.April in der Kathedrale Saint-André in Bordeaux gegeben hat. Unter der Leitung von Eliane Lavail sangen die vereinigten Chöre Louis Viernes Messe cis-moll aus dem Jahre 1901 für Chor und zwei Orgeln, ein Werk, das zu den Höhepunkten der französischen Orgelmessen gehört.
Die Kathedrale besitzt eine große Hauptorgel an der Westwand des Hauptschiffes und eine Chororgel in der großen Apsis der Kirche, so dass die Messe kompositionsgerecht aufgeführt werden konnte. Wegen der großen Entfernung zwischen Orgel und Chor musste mit einer Übertragungskamera auf einen Monitor auf den jeweilige Spieltischen der Orgeln gearbeitet, um den langen Nachhall und den komplett fehlenden Sichtkontakt zu bewältigen.
Das Ensemble Vocal sang Pendereckis Agnus Dei und Widors Regina coeli, die Pauluskantorei führte Kodalys Pange lingua und Janaceks Otcenas (Vater Unser) mit Harfe, Orgel und Tenor auf. Beide Werke fanden hervorragende Aufnahme beim zahlreichen Publikum. Diese Musik ist dort eher ungewohnt und selten oder nie zu hören.
Der Besuch wurde initiiert von Christian Müller, der ein Jahr mit Familie in Bordeaux verbrachte und im Ensemble Vocal d’aquitaine sang – gemeinsam wurde geplant und vorbereitet, so dass das Projekt möglich werden konnte.
Die Aufnahme der deutschen Choristen beim Partnerchor war von überwältigender Herzlichkeit und Freundlichkeit geprägt. In verschiedenen Gruppen angereist, wurden wir bereits am Flughafen mit großem „Bienvenue“ empfangen, mit Stadt- und Fahrplänen versorgt und in unsere Quartiere geleitet. Einige Sänger*innen waren zu Gast bei den französischen Familien – ein Erlebnis, das das gegenseitige Kennenlernen noch herzlicher machte. Unsere großzügigen Gastgeber bekochten uns vorzüglich und sorgten dafür, dass wir mit vielen guten Tipps unsere Entdeckungsreise durch die wunderschöne Stadt Bordeaux im Südwesten Frankreichs starten konnten.
Ausgedehnte Stadtspaziergänge durch die weitgehend sanierte Altstadt – vorbei an in der Sonne leuchtenden prunkvollen Gebäuden, über heimelige Stadtplätze mit Straßencafés voller Menschen, entlang der Promenade an der Garonne – nicht umsonst gehört seit 2007 die halbe Innenstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Wer nicht allein spazieren wollte, schloss sich den fachkundigen Führungen von Christian Müller, der Architekt ist, an. Ein Höhepunkt unseres Stadtprogramms war die Ausstellung „Le vin et la musique“ in der 2016 eröffneten Cité du Vin. Das Gebäude, ist ein sehr moderner Glasbau, am Ufer der Garonne und erinnert an im Glas geschwenkten Wein.
Unsere Reise durfte natürlich nicht ohne Ausflug in die Weinregion selbst stattfinden, Bei einem Ausflug nach St. Emilion besuchten wir ein weiteres beeindruckendes Bauwerk, die Église Monolithe mit den Katakomben des bekannten Weindorfes. Dieses unterirdischen Wunder der Baugeschichte wurden bereits im 9. Jahrhundert von oben nach unten, Stück für Stück, aus dem Fels geschürft und ist die größte Höhlenkirche Europas. Weiter ging es durch die Weinberge zum Chateau La Dominique – dort wurden wir mit einer Führung in die Kunst des Weinbaus eingeführt und durften die Keller, riesige Tanks und Eichenholzfässer bewundern. Probiert wurde im Anschluss natürlich auch – aber nicht zu viel, da am Abend der erste offizielle Teil der Chorreise begann – eine Einführung in das Konzert durch die französische Chorleiterin.
Unsere Probenarbeit für das Konzert begann mit dem Zusammenfinden der Pauluskantorei im Konservatorium der Stadt – nach gut zwei Stunden im gut geheizten Saal schloss sich eine Geburtstagseinladung für den ganzen Chor an.
Am nächsten Tag fand die Vereinigung der beiden Chöre zu einem Ensemble statt. Das Zusammentreffen in der Kathedrale war sehr herzlich – immer abwechselnd stellten wir uns auf und probten unter der Leitung von Eliane Lavail, die uns souverän durch die Unwägbarkeiten der Akustik in der Kathedrale führte. Auch die Generalprobe unserer mitgebrachten Stücke war an diesem langen Abend nach der Gewöhnung an die gewaltige Akustik erfolgreich.
Der Konzerttag selbst startete mit ganz anderer Musik. Im prächtigen Opernhaus der Stadt lauschten wir einem „Midi Musical“ mit konzertant aufgeführten Arien aus dem italienischen Repertoire der Opéra National und glaubten unseren Ohren kaum, als mitten im Programm der begleitende Pianist aufstand und dem, bis auf den letzten Platz gefüllten, Auditiorium unsere Pauluskantorei, den Anlass unseres Besuchs und das Konzert am Abend in der Kathedrale ankündigte!
Das gemeinsame Konzert am Abend war sehr schön – das Publikum stand in einer langen Schlange über den ganzen Platz vor dem prächtigen Königsportal aus dem 13. Jahrhundert – die Kathedrale war gut gefüllt und die Anspannung, wie das Konzert aufgenommen würde, war groß. Am Ende löste sich alles im anhaltenden Applaus auf und wir konnten den Tag gemeinsam mit unseren Gastgebern bei einem liebevoll vorbereiteten Buffet mit selbst zubereiteten französischen Köstlichkeiten und Wein abschließen.
Abgerundet wurde unsere Reise von einem Ausflug an die Atllantikküste am verregneten Folgetag – mit dem Bus fuhren wir nach Arcachon und umrundeten mit einem Ausflugsboot das große Becken mit seinen Austernbänken, einer unter Naturschutz stehenden Vogelinsel bis zum Kap Ferret. Auch das Naturwunder der größten europäischen Wanderdüne, die bis zu 110 m in die Höhe ragt, die „Dune du Pilat“ wurde im durchnässten Sand erklommen – den mühevolle Aufstieg belohnte ein weiter Ausblick über die ganze Bucht.
Insgesamt war diese Reise ein wundervolles Beispiel deutsch-französischer Freundschaft – der Anlass und die Durchführung, die großartige Gastfreundschaft der französischen Chormitglieder und die Erfahrung, in einer solchen Kathedrale singen zu dürfen, wird uns noch lange in Erinnerung bleiben! Es ein Ansporn für den Gegenbesuch des Ensembles Vocal d’Aquitaine Anfang November in der Pauluskirche und wir freuen uns schon jetzt auf das gemeinsame Musizieren des „Requiem“ von Saint-Saens, mit dem wir an das Ende des Großen Krieges 1914-1918 erinnern wollen.
Unser herzlicher Dank gilt vor allem Christian Müller, ohne dessen Vermittlung die Reise nicht zustande gekommen wäre, dem Organisationskomitee des Chores und unserem Kantor Cornelius Häußermann der in unermüdlichen Proben unseren Aufenthalt vorbereitete.
Birke Preußler